Congress of the homeless /
Le Congrès mondial des sans-abris
4 min DV | experimental | Germany 2004
film by: Vlado Kristl, Carola Regnier, Johanna Pauline Maier
camera, text, music, montage: Vlado Kristl, Johanna Pauline Maier
voices: Carola Regnier, Vlado Kristl
production: weekend film, DAX film
Delegations of the homeless from all over the world march in. Kristl’s last film.
Des délégations des sans-abris se réunissent. Le dernier film de Vlado Kristl.
Delegationen von Obdachlosen aus aller Welt marschieren ein. Kristls letzter Film.
— Kommentar: Vlado Kristl habe ich in seinen letzten Lebensjahren kennengelernt. Er arbeitete in dieser Zeit mit jugendlicher Kraft und Intensität, später zeigte sich Erschöpfung. Er machte also kurze Pausen und war ebenso schnell wieder im Form. So entstand auch dieser Film – in drei kurzen zielgerichteten Schüben: 1) Auf einem Spaziergang begannen wir plötzlich uns im Spiel gegenseitig zu filmen – vielleicht gerade weil in der Dunkelheit immer weniger zu erkennen war. Als wir das Material später ansahen, lachten wir, weil es an Ratten oder andere Nachtgeschöpfe erinnerte, die sich dem Licht entzogen… 2) Ein paar Tage später gab es ein Gespräch zu einem Text, an dem Kristl schrieb und den er mit Fragmenten eines kurzen Textes von mir anreicherte. Ohne dass ich damit rechnete, sollte dieser Text nun Basis für den Film werden und ein Filmtitel wurde festgelegt: „Weltkongress der Obdachlosen!!! Das ist der Titel für unser Material von vorgestern“. Kristl bat Carola Regnier und mich ins Tonstudio der Filmhochschule zu kommen. (Ich studierte dort Film und hatte Zugang zu den Räumen.) Ich nahm mit einem einfachen Gerät den Ton auf, während Carola den Text in ein Standmikrophon sprechen, nein schreien sollte. Dabei zerrte Kristl sie immer wieder vom Mikrophon weg. Ihre Aufgabe war es, irgendwie dennoch am Mikrophon zu bleiben, damit man sie und ihren Text höre. Auf ähnliche Weise nahm er dann auch seinem Part auf. Zufällig stand ein Flügel im Raum. Carola nahm auf, wie Kristl und ich vierhändig spielten bzw. ich versuchte zu spielen und zu improvisieren und Kristl hinderte mich daran, indem er mir permanent in die Tasten griff oder über meine Hände hinweg ganz oben in die Tasten haute. 3) Ich organisierte einen Schnittcomputer. Schnell stand fest, dass das Bildmaterial im Loop ablaufen würde. Die Sprachaufnahmen wurden roh angelegt bzw. übereinandergelegt und nicht oder kaum verändert. Der Klavierton dagegen war viel zu lang. Kristl ließ mich die Tonwellen anzeigen und überall wo der Ton im roten Bereich lag, also übersteuert war, sollte ich den Ton heraus kopieren und aneinander reihen. Der Rest wurde weggeworfen. Wir sichteten mit Carola den Film, pausierten mit Kaffee und Kuchen, sichteten den Film noch einmal und fertig war er. Kristl saß dabei auf dem Sofa und ich am Tisch mit dem Computer. Ab und an lehnte er sich müde zurück, und ich war eine kurze Weile alleine mit dem Schnitt. Doch es war wie ein Abtauchen anderswohin, denn er kehrte immer erfrischt und mit neuen überraschenden Ideen und Lösungen zurück. Er wollte die höchstmögliche Intensität aus dem Material heraus zu pressen. Es lag etwas Atemloses, ja fast etwas Gnadenloses, in diesem Vorgehen. In der Arbeit mit Vlado Kristl gab es sicher eine Menge schwerer Gedanken und Ernst, aber auch viel Humor, Spaß und spielerische bis übermütige Leichtigkeit.